I had a dream - oder: Auf einmal warst du ein Hund


Es ist mir nicht möglich einen Traum nachzuerzählen ohne die Worte "irgendwie" und "auf einmal" zu verwenden. Jeden dritten Satz beginne ich mit einem "Und dann hab ich geträumt..." und unterbreche meine konfuse Nacherzählung immer wieder mit Denkpausen und einem "Ach, nee. Zuerst war...". Nichtsdestotrotz möchte ich mich nach dem Aufwachen gern austauschen und mein Frischgeträumtes weitergeben, bevor es in Vergessenheit gerät. Glücklicherweise ist meine bessere Hälfte ebenso verträumt und die Retoure an inkonsistenter Traumschilderung folgt auf dem Fuße.

Es herrscht Ausgeglichenheit und auf diese Weise startet so mancher Tag mit einem Lachanfall, hat der Verlobte seine Nacht beispielsweise als überzeugendes Madonna-Double verbracht. 

Dieses unwillkürliche Beispiel veranschaulicht eindrucksvoll die Logik und Sinnhaftigkeit der Begebenheiten unserer Träume. Meine Träume besitzen häufig einen so abenteuerlichen Charakter, dass sie sich hervorragend als Filmstoff für einen packenden, komplexen Thriller eignen würden. Dann jedoch beendet der Wecker oder ein anderes nerviges Geräusch diesen Traumzustand und während das bewusste Hirn langsam wieder das Steuer in die Hand nimmt, entfleucht die Genialität der Idee und der eben noch so perfekte Handlungsstrang, in dem sich die Ereignisse wie Zahnräder ineinander fügten, kann nur noch diffus widergegeben werden.

Ich habe ein relativ gutes Traumgedächtnis und bedauere jeden, dem das Träumen aufgrund beträchtlicher, nächtlicher Erinnerungslücken verwährt bleibt. Wer sich nach dem Aufwachen noch sehr gut erinnern kann, jedoch beim Zähneputzen schon gar nichts mehr weiß, der sollte sich vor dem ersten Augenaufschlag so wenig wie möglich bewegen und das Snoozen dazu nutzen, den Traum vor dem inneren Auge Revue passieren zu lassen. Jede Bewegung lässt die Erinnerung weiter und weiter verblassen. Wer dann noch Zeit hat, kann beim zweiten Snoozen das Geträumte in einem Traumtagebuch festhalten, wobei das dann nicht mehr viel mit Snoozen zu tun hat. Wer am Morgen noch nicht zu sonderlich viel zu gebrauchen ist, kann auch Stichpunkte notieren, solange man mit ihnen später noch was anzufangen weiß. Um noch mehr in die Materie einzutauchen, habe ich zeitweilig auch Traumtagebuch geführt und hierbei oft Probleme gehabt, später das meist liegend und teilweise mit geschlossen Augen Hingekrakelte zu deuten oder gar zu entziffern. Deshalb nahm ich mir alsbald dann doch die Zeit mich aufrecht hinzusetzen und den Traum in ausformulierten Sätzen aufs Papier zu bringen.

Je mehr man sich mit dem Träumen beschäftigt und sich tagsüber der Realität mehr bewusst wird, desto besser lässt sich nach und nach eine fundierte Traumerinnerung antrainieren. Wenn man schon ein Drittel seines Lebens verschläft, wäre es doch ganz nett sich an diese traumhafte Parallelexistenz erinnern zu können, in der man so viel erleben oder gar sich selbst besser kennenlernen kann. Es ist ja schließlich der Ort, an dem sich das Unterbewusstsein so richtig austobt.

Früher hielt ich Traumdeutung für Humbug, heute aber verstehe ich, wie das Gehirn das so macht mit der Verarbeitung all der vielen Dinge, die man tagein tagaus erlebt. Aber nicht jeder Traumgegenstand taugt für eine Psychoanalyse. Man muss schon genau differenzieren, was als Anstoß für dieses oder jenes Traumgebilde angesehen werden kann. Träume ich davon, nach hastigem Aufstehen und unvollständigem Schminken mit dem Zeppelin zur Arbeit zu fahren, vermischt sich meine Angst zu spät zu kommen mit der N24-Dokumentation, die ich vor dem Einschlafen gesehen habe. Hierfür muss ich also kein Buch/Internetseite/App zur Traumdeutung bemühen. 

Eher sind es wiederkehrende Traummotive, mit denen das Unterbewusstsein schwierige Lebensphasen des Träumers widerspiegelt oder ungeklärte Situationen zu verarbeiten versucht. Bei mir war es der Klassiker des "Nicht-Laufen-Könnens", welches mir in meiner Jugend fast jede Nacht den Traum versaut hat. Im Nachhinein habe ich erkannt, dass ich nicht ohne Grund mit schweren Beinen im Treibsand zu laufen versuchte, sah ich doch das Ende der Schulzeit in großen Schritten auf mich zu kommen - ohne Klarheit oder Plan über die Zeit danach. Ich glaube, die Erklärung dieser Traumsymbolik erübrigt sich ebenfalls. 

Kürzlich war ich aber selbst davon überrascht, wie mein Unterbewusstsein ohne mein Wissen einen dicken Strich unter einen Lebensabschnitt gemacht hat. Ich habe geträumt, dass mein Elternhaus bis auf die Grundmauern abbrennt, während ich vom Gartenzaun aus dabei zuschaue. In der Realität war ich am Tag zuvor ein letztes Mal durch die prachtvollen, aber leeren Zimmer der ehemaligen, elterlichen Wohnung gewandelt. Durch Räume voller Erinnerungen, mit den hohen Decken und dem verzierten Ofen, den Doppeltüren und dem Stuck. Räume in denen ich mein ganzes Kinder- und Jugendleben verbracht hatte und die nun aufgrund ausgezogener Kinder zu viele Quadratmeter für die Eltern hatten. Beim Verlassen der Wohnung überlegte ich, ob ich mich bereits damit abgefunden hatte, dass diese Wohnung nun der Vergangenheit angehörte und ob mein Unterbewusstsein den Umzug der Eltern akzeptierten konnte. Der Traum gab mir unvermittelt die Antwort.


Dennoch ist und bleibt diese Wohnung, beziehungsweise das Haus mit Hof, sowie die unmittelbare Gegend drumherum, der häufigste Schauplatz meiner Träume - alles jedoch im Zustand von 1995, einer wohl sehr prägenden Phase meines Lebens. Auch das Cast, mit dem ich meine Traumabenteuer erlebe, bedient sich an Personen aller Epochen meines Lebens. Meistens ist es ein großes Kuddelmuddel aus ehemaligen Mitschülern, Kollegen und Familienmitgliedern angereichert mit Personen des öffentlichen Lebens. Hier und da taucht auch gern mal ein sprechendes Tier auf. Letzteres begegnet mir in der Tat immer häufiger, wobei sich der sprechende und aufrecht laufende Hund, um den ich mich kümmern muss, oft unbemerkt in ein ebenso begabtes Baby verwandelt oder umgekehrt. Ich wage mich mal an die Interpretation dieses Traumes und lese darin die Angst vor Verantwortung für derartigen Schutzbefohlenen beziehungsweise den Wunsch, diese wären wenigstens ein Stück weit selbstständiger und könnten ihre Bedürfnisse problemlos mitteilen. 
Mh. Jetzt weiß ich auch, wo sich mein zukünftiger Kinderwunsch wohl am verlässlichsten bemerkbar machen wird. 
Erst wenige Male ist es mir gelungen, mich an derartigen Abstrusitäten zu stören. Die folgliche Sabotage des Traumes war zugleich ein Schlüssel. Ein Schlüssel zu der Tür, die aus der normalen Traumwelt, wo ich von seltsam eingerichteten Wohnwagen, Stelzentaxis und Mini-Brownie-Müslis träume (Exzerpte meines Traumtagebuches), hinaus in die Welt des Klartraumes führt. Gewissermaßen ein Traum-AddOn, oder besser noch ein Cheat, mit dem alles Denkbare möglich ist. 


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