Advanced Procrastination - oder: Aus dem Tagebuch einer, deren Freund gerade zu ihr zog


Im Wohnzimmer stapeln sich circa 9 Umzugskisten, Ikea Tüten und noch mehr Kram ganz ohne Behälter. Liegt hier einfach so rum. Das alles hatte vor ein paar Wochen noch seine eigene 1-Zimmer-Wohnung. Mit einem Streifblick erfasse ich zwei Motorradhelme (kaputt), Wii Gitarren (ohne Wii) und Hanteln. Die sehen so aus, als wollten sie weggeräumt werden. Aber wohin? Sowas hatte ich noch nie zu verstauen. Passt nicht in meine weiße Hemnes-Kommode. Stimmt. Dafür hat man einen Keller. Aber da liegen ja schon die Winterreifen. 

Seitdem am Klingelschild zwei Namen stehen, ist im Briefkasten Post. Vorher war da alle paar Wochen ein H&M-Katalog drin oder ein DHL-Abholschein. Jetzt sind richtige Briefe dabei. Briefe, die man behält und wegheftet und nicht mit der Erkenntnis: "Achso, nur Werbung" in den Mülleimer wirft. Ist das eigentlich ein gutes oder schlechtes Zeichen, dass ich keine Post kriege?

Heute ist mein freier Tag und eigentlich wollte ich meinen Freund damit überraschen, dass er abends, ohne sich an irgendwas zu stoßen, durchs Wohnzimmer laufen kann. Facebook, Youtube und Twitter hatten anderes mit mir vor und mich am Vormittag böse abgelenkt. Jetzt ist bereits früher Nachmittag und ich stehe in der Küche und esse Cornflakes. Ja, ich stehe. Im Wohnzimmer kann ich mich nirgends hinsetzen. Auf dem Balkon ist es so schwül und im Schlafzimmer ist der Laptop. Das Risiko dort ist sehr hoch, dass ich heute gar nichts mehr schaffe. Bleibt mir also nicht anderes übrig.

Wenigstens ist der Backofen schon sauber. Das war das Erste, was mir als Ersatzhandlung eingefallen ist. Stand auch auf meiner To-Do-Liste. Nur mit niedrigerer Priorität markiert, als das Chaos im Wohnzimmer. Das ist in rot geschrieben und dahinter prangen mehrere Ausrufungszeichen und eine Elf!!11!

Die Cornflakes schmecken leider nicht. Die waren in der Tüte schon zusammengeklebt. Ich dachte, die gehen noch. Das Geschirr auf dem Schreibtisch könnte eigentlich in die Vitrine. Vor der stehen aber die 9 Kisten, das wird also vorerst nichts. Schade. Dann wäre wenigstens das schon mal weg. Ok. Wo kann man anfangen? Bilder an die Wand nageln? Erstmal Musik an machen. Ich bin in Boy-und Girlgroup-Mood.

Was macht man eigentlich mit den Langenscheidt Französisch-Deutsch Wörterbüchern, die man jetzt zweimal hat? Schaut da irgendjemand nochmal rein? Sollte man die für zukünftige Kinder aufheben? Oder darf man davon ausgehen, dass sie 2030 iPads oder sowas in der Art für Übersetzungen in der Schule benutzen?

Jetzt hab ich CDs gestapelt. Hört man auch nicht mehr. Aber wegschmeißen will ich sie auch nicht. Zu viele Erinnerungen. Das erste Spice Girls Album oder die ersten beiden von Britney hab ich rauf und runter gehört und bin dabei mit dem Gymnastikball durch mein Kinderzimmer gehüpft. (Findet sich da bitte jemand wieder??) Merke grad, dass ich die Texte noch kann. Teilweise verstehe ich erst jetzt, was sie da singen. Wie doppeldeutig, Britney.

Ich bin gerade mit einem Geistesblitz in die Küche gegangen, um etwas zu holen. Als ich da war, wusste ich nicht mehr was. Leider hat Zurückgehen auch nichts gebracht. Vielleicht fällt es mir gleich wieder ein. Hoffentlich war's was Gutes...Jetzt ist es mir eingefallen. Hammer und Nägel wollte ich holen. Ich mach also tatsächlich die Bilder an die Wand. Ich bin von mir selbst überrascht. Hammer und Nägel sind bei mir im Küchenschrank neben dem Staubsauger und den Zwiebeln. Mehr als das brauchte ich selten. Seit Neuestem besitzt mein Haushalt mehrere Werkzeugkoffer, sogar so einen mit verschieden großen Dübeln und Schrauben. Aber da liegen gerade Software-Handbücher und Hüte drauf. Komm ich nicht ran.

Eine Stunde später. Ich habe weitere Bilderrahmen gefunden und neue Bilder reingemacht. Die kommen auch noch an die Wand. Ansonsten hab ich Schubladen aufgeräumt, die vorher auch schon ok aussahen und von außen nicht sichtbar sind. Wenigstens weiß ich, dass sie jetzt in irgendeiner Art und Weise aufgeräumter sind als vorher und das gibt mir das Gefühl etwas geschafft zu haben. Mein Freund wird nicht merken, dass ich heute überhaupt das Bett verlassen habe. Vielleicht schieb ich den Stuhl noch zur Seite und Stapel die alte Aktentasche (kaputt) auf die Kiste mit dem Sandwich-Maker (mit allen austauschbaren Aufsätzen), damit er nachher wenigstens ohne "Aua" zu sagen den Raum durchqueren kann. Das war ja eigentlich auch nur mein Ziel.

Fazit: Die heutige Prokrastination und die Tatsache, dass ich aufgrund meines hohen Social Media Konsums heute Vormittag nur in Facebook-Posts und Tweets gedacht habe, haben diesen, meinen ersten, Blog-Post ermöglicht. Der Blog stand auch auf der To-Do-Liste. Nur ohne Prioritätseinstufung.

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