Dream on Demand - oder: Ich kann fliegen


Klapper, Klapper, WUSCH, Bumm, Bang, KRACH. Gerade ist ein LKW durch mein Schlafzimmer gefahren, hat mich erfasst und mich aus meinem Traum gerissen. Jetzt bemerke ich auch, dass es sich bei demjenigen, der gerade noch ununterbrochen "Trainer, Trainer" rief, um eine Krähe vor meinem Fenster handelt. Das Krächzen ließ sich gerade so in den Traum einbauen. Für den LKW hatte mein Hirn so spontan keine Verwendung und beendete das Kopfkino abrupt. Und dabei war es doch gerade so spannend. Einfach nochmal umdrehen, Augen zu und weiter träumen. Vorher vielleicht lieber noch das Fenster schließen.

Leider funktioniert diese Taktik nur äußerst selten und hat man es tatsächlich wieder zurück in den Traum geschafft, verläuft dieser nicht mehr so, wie man sich das gewünscht hat, sondern nimmt eine unbefriedigende Wendung. Mit ein bisschen Übung - ich muss mich korrigieren - mit äußerst viel Übung lässt sich eine Technik erlernen, die den Träumer befähigt, aktiv und bewusst ins Traumgeschehen einzugreifen. So kann man spielend leicht wieder an die schöne Stelle des Traumes zurück kehren oder gleich in den nächsten aufregenden Traum zappen, alles ist möglich.

Jeder ist in der Lage "luzid" ( lat. lux, lūcis „Licht“) zu träumen. Wir alle tun es auch sehr häufig, nur leider erinnern wir uns meistens nicht mehr daran. Da zeigt sich schon das erste Problem. Wer keine gute Traumerinnerung hat, wird nicht mal wissen, ob das mit der Klarträumerei mittlerweile klappt. Das zweite und größere Problem ist, dass dem Träumer während des Träumens auffallen muss, dass er gerade träumt. Gott sei Dank haben sich ein paar kluge Menschen sogenannte Realitätschecks ausgedacht, die in dieser Hinsicht sehr hilfreich sein können. Fakt ist: Im Traum hat man nie 5 Finger. Seltsamerweise sind sprechende Hunde, Looping-U-Bahnen oder Reisen zum Mond total plausibel. Hat man aber eine unrealistische Anzahl an Fingern ist plötzlich helle Aufregung und man weiß: Jawollja! Ich träume!!


Zählt man tagsüber in regelmäßigen Abständen seine Finger (am besten die Finger dabei berühren und regelrecht abzählen) wird man dies auch irgendwann im Traum tun und dann eine von der individuellen Fingeranzahl abweichende Anzahl an Fingern vorfinden. Falls dieser Test aufgrund zusammengewachsener Finger oder einer verschwommenen Traumhand (ich spreche hier aus eigener Erfahrung) keinen Aufschluss bringt, erweist sich auch das Einatmen mit zugehaltener Nase als sehr dienlich. Im Traum funktioniert das natürlich, weil man in echt ja weiterhin bewegungslos und in die Decke gekuschelt im Bett liegt.  
Im Sommer vor zwei Jahren nahm ich mir vor das Klarträumen zu erlernen. Also begann ich   Traumtagebuch zu führen, tagsüber immer mal wieder meine Finger zu zählen und mich mit der Thematik intensiv auseinander zusetzen. Laut meiner Aufzeichnungen schaffte ich es nach 5 aufeinanderfolgenden, schlafintensiven Nächten in meinen ersten, bewusst wahrgenommenen Klartraum. Am besten träumt es sich nachdem man morgens kurz aufwacht, auf die Uhr schaut, sich freut, dass es erst 5:34 ist, sich umdreht und nochmal wegdöst. In dieser Phase hat es zumindest bei mir funktioniert. Nachdem ich wieder weggedriftet war, fand ich mich in einer Situation wieder, die als sehr merkwürdig einzustufen war. Ich war meine Cousine im Alter von circa 10 Jahren und rannte mit ihrer Freundin eine Einfahrt entlang. Da wurde ich stutzig. Warum bin ich 10? Und noch viel verwunderlicher, warum bin ich meine Cousine? Um ganz sicher zu gehen, zählte ich meine Finger und tatsächlich: Es waren nur vier. In dem Moment wurde ich in den Klartraum gezogen, ein ganz seltsames und wie ich gerade an mangelnden Worten merke, unbeschreibliches Gefühl.  


Der erste Reflex nach dieser Erkenntnis ist für die meisten: fliegen. Auch mir fiel im ersten Moment nichts Besseres ein, also stieß ich mich vom Boden ab und flog los. Leider scheint meinte Fantasie nicht für schöne Landschaften und atemberaubende Natur auszureichen. Ich spürte zwar den Wind unter meinen Armen und die Leichtigkeit des Fliegens, aber statt durch ein eindrucksvolles Tal oder den Grand Canyon zu fliegen, sah die Landschaft unter mir nur aus wie eine Google Maps Karte mit schlechtem Internetempfang. Das machte nach einer Weile keinen Spaß mehr und ich driftete langsam wieder zurück in einen Trübtraum. Um mich wieder zurück zu holen, zählte ich abermals meine Finger und diesmal waren es sechs. 

Ein kleiner Tipp am Rande: Wenn ihr das Ganze auch mal probieren wollt, dann überlegt euch vorher, was ihr gern im luziden Traum erleben wollt. Alles ist möglich, es gibt keine Grenzen. Stürzt euch vom Empire State Building, macht mit 200km/h 'nen Wheely oder snowboardet auf einer Lawine. Den Vorteil der Unverwüstlichkeit machen sich auch Sportler zu Nutze, die besonders gefährliche Sprünge oder Bewegungsabläufe zunächst im Traum üben, bevor sie sich in der Realität trauen. Das Geniale daran ist, dass das Gehirn sich schon mal den Bewegungsablauf merkt und beim echten Versuch vorbereitet ist.


Nach meinem spontanen Flug entschloss ich mich jedoch für etwas Ungefährliches, aber dennoch im wahren Leben wohl Unerreichbares. Ich fand mich in einer Holzhütte wieder und bestellte bei meinem bewussten Unterbewusstsein ein Treffen mit Leonardo DiCaprio. Ich versuchte mich zu konzentrieren und öffnete energisch die Tür, hinter der ich ihn erwartete. Zu meiner Enttäuschung standen auf der Veranda nur zwei junge Frauen im Hostessen-Dress. Das hat wohl nicht so gut geklappt. Eine der Frauen, mit einem Klemmbrett in der Hand, entschuldigte sich vielmals bei mir und meinte, sie benötige noch eine Information und zwar welches Aussehen von Leonardo ich mir gerne wünschte. Wenn ich mich recht erinnere, ging es um seine Frisur. Während sie das fragte und ich ihr sagte, dass mir das sowas von egal war, hörte ich bereits Schritte auf den Treppenstufen. Ich drehte mich um und da war er. Leonardo DiCaprio, gefolgt von seiner Entourage, kam auf mich zu und begrüßte mich, als würden wir uns bereits kennen. Wir gingen ins Haus und er schaute sich still und leise um. Nach ein paar Momenten des Schweigens und aufkommender Langeweile, ergriff ich die Initiative und knutschte ihn ab. Die Situation muss man schließlich ausnutzen. Und worüber soll man sich mit Traum-Leonardo auch unterhalten? Mal ehrlich.

Der nächste Klartraum ließ leider ein paar Monate auf sich warten und ereilte mich morgens nach dem erstmaligen Aufwachen und in einem leicht fiebrigen Zustand. Das war scheinbar eine gute Mischung. In den folgenden, gefühlten Stunden, probierte ich "halbklar" alle möglichen Realitätschecks aus, von denen ich jemals gelesen hatte. Neben Fingeranzahl und Atmen, gäbe es da noch das Lesen. Im Traum kann man nicht wirklich lesen, zumindest steht beim zweiten Hingucken irgendetwas anderes da oder die Schrift ist verändert. Ich erinnere mich, im Traum ganze Seiten gelesen zu haben, wobei das Gelesene meist nur aneinander gereihte Buchstaben sind, die kaum bis keinen Sinn ergeben. Leider konnte ich in dieser Situation nichts Verwunderliches feststellen, höchstwahrscheinlich, weil ich zu dieser Zeit meine Aufmerksamkeit im Real Life anderen Dingen schenkte und das Klarträumen auf Eis lag.

Das A und O ist, dass man sich mit der Thematik des Klarträumens auseinandersetzt. Vielleicht hat bei dem ein oder anderen das Lesen dieses Blog bereits ausgereicht. Dann zählt doch direkt mal eure Finger, ich warte so lange... Ganz genau hingucken und schön abzählen. Richtig. Nehmt euch heute vor dem Einschlafen vor, diese Nacht ganz aufmerksam zu verfolgen. Hofft auf eine gute Traumerinnerung und trinkt fürs leichtere Einschlafen ein Glas warme Milch. Aber geht  sicherheitshalber nochmal auf die Toilette. Auch wenn ich fast jede Nacht träume, mache ich doch manchmal einen großen Fehler und sabotiere meine Chance auf solide Träume mit der Aussicht auf Klarträume, in dem ich abends zu faul bin nochmal aufs Klo zu gehen, obwohl ich merke, dass ich  eigentlich dringend müsste. Meine Träume werden sich in den folgenden 6 bis 7 Stunden ausschließlich um den Toilettengang drehen, den ich im Traum leider und in der Realität glücklicherweise nie erfolgreich vollenden kann. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich mittlerweile alle möglichen Szenarien erträumt habe, die es mir unmöglich machen in Ruhe aufs Klo zu gehen. Entweder sind die Toilettenabgrenzungen zu niedrig, die Türen aus Glas oder geöffnet oder die Toiletten stehen gänzlich auf öffentlichen Grund mit viel Durchgangsverkehr, wie zum Beispiel einer Umkleidekabine oder im Museum. Viel Anlass zum Finger zählen gibt es da leider nicht.


Ich hoffe, auch mir bringt die erneute Auseinandersetzung mit diesem Thema demnächst ein Wiedersehen mit einem luziden Traum. Ich werde in Zukunft wieder regelmäßig die Anzahl meiner Finger überprüfen und, wenn mich das nicht zu sehr überfordert, vielleicht auch weitere Realitätschecks in meinen Alltag einbauen, um meine Expertise im Bereich Klartraum zu erweitern. Am besten erstelle ich parallel dazu eine Liste mit wünschenswerten Traumerlebnissen und schaue mir die Dokumentation "Unsere Erde" an und präge mir alles genauestens ein, damit die Landschaften, wenn ich vor Schreck doch nur zum Fliegen komme, wenigstens nach was ausschauen.



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I had a dream - oder: Auf einmal warst du ein Hund


Es ist mir nicht möglich einen Traum nachzuerzählen ohne die Worte "irgendwie" und "auf einmal" zu verwenden. Jeden dritten Satz beginne ich mit einem "Und dann hab ich geträumt..." und unterbreche meine konfuse Nacherzählung immer wieder mit Denkpausen und einem "Ach, nee. Zuerst war...". Nichtsdestotrotz möchte ich mich nach dem Aufwachen gern austauschen und mein Frischgeträumtes weitergeben, bevor es in Vergessenheit gerät. Glücklicherweise ist meine bessere Hälfte ebenso verträumt und die Retoure an inkonsistenter Traumschilderung folgt auf dem Fuße.

Es herrscht Ausgeglichenheit und auf diese Weise startet so mancher Tag mit einem Lachanfall, hat der Verlobte seine Nacht beispielsweise als überzeugendes Madonna-Double verbracht. 

Dieses unwillkürliche Beispiel veranschaulicht eindrucksvoll die Logik und Sinnhaftigkeit der Begebenheiten unserer Träume. Meine Träume besitzen häufig einen so abenteuerlichen Charakter, dass sie sich hervorragend als Filmstoff für einen packenden, komplexen Thriller eignen würden. Dann jedoch beendet der Wecker oder ein anderes nerviges Geräusch diesen Traumzustand und während das bewusste Hirn langsam wieder das Steuer in die Hand nimmt, entfleucht die Genialität der Idee und der eben noch so perfekte Handlungsstrang, in dem sich die Ereignisse wie Zahnräder ineinander fügten, kann nur noch diffus widergegeben werden.

Ich habe ein relativ gutes Traumgedächtnis und bedauere jeden, dem das Träumen aufgrund beträchtlicher, nächtlicher Erinnerungslücken verwährt bleibt. Wer sich nach dem Aufwachen noch sehr gut erinnern kann, jedoch beim Zähneputzen schon gar nichts mehr weiß, der sollte sich vor dem ersten Augenaufschlag so wenig wie möglich bewegen und das Snoozen dazu nutzen, den Traum vor dem inneren Auge Revue passieren zu lassen. Jede Bewegung lässt die Erinnerung weiter und weiter verblassen. Wer dann noch Zeit hat, kann beim zweiten Snoozen das Geträumte in einem Traumtagebuch festhalten, wobei das dann nicht mehr viel mit Snoozen zu tun hat. Wer am Morgen noch nicht zu sonderlich viel zu gebrauchen ist, kann auch Stichpunkte notieren, solange man mit ihnen später noch was anzufangen weiß. Um noch mehr in die Materie einzutauchen, habe ich zeitweilig auch Traumtagebuch geführt und hierbei oft Probleme gehabt, später das meist liegend und teilweise mit geschlossen Augen Hingekrakelte zu deuten oder gar zu entziffern. Deshalb nahm ich mir alsbald dann doch die Zeit mich aufrecht hinzusetzen und den Traum in ausformulierten Sätzen aufs Papier zu bringen.

Je mehr man sich mit dem Träumen beschäftigt und sich tagsüber der Realität mehr bewusst wird, desto besser lässt sich nach und nach eine fundierte Traumerinnerung antrainieren. Wenn man schon ein Drittel seines Lebens verschläft, wäre es doch ganz nett sich an diese traumhafte Parallelexistenz erinnern zu können, in der man so viel erleben oder gar sich selbst besser kennenlernen kann. Es ist ja schließlich der Ort, an dem sich das Unterbewusstsein so richtig austobt.

Früher hielt ich Traumdeutung für Humbug, heute aber verstehe ich, wie das Gehirn das so macht mit der Verarbeitung all der vielen Dinge, die man tagein tagaus erlebt. Aber nicht jeder Traumgegenstand taugt für eine Psychoanalyse. Man muss schon genau differenzieren, was als Anstoß für dieses oder jenes Traumgebilde angesehen werden kann. Träume ich davon, nach hastigem Aufstehen und unvollständigem Schminken mit dem Zeppelin zur Arbeit zu fahren, vermischt sich meine Angst zu spät zu kommen mit der N24-Dokumentation, die ich vor dem Einschlafen gesehen habe. Hierfür muss ich also kein Buch/Internetseite/App zur Traumdeutung bemühen. 

Eher sind es wiederkehrende Traummotive, mit denen das Unterbewusstsein schwierige Lebensphasen des Träumers widerspiegelt oder ungeklärte Situationen zu verarbeiten versucht. Bei mir war es der Klassiker des "Nicht-Laufen-Könnens", welches mir in meiner Jugend fast jede Nacht den Traum versaut hat. Im Nachhinein habe ich erkannt, dass ich nicht ohne Grund mit schweren Beinen im Treibsand zu laufen versuchte, sah ich doch das Ende der Schulzeit in großen Schritten auf mich zu kommen - ohne Klarheit oder Plan über die Zeit danach. Ich glaube, die Erklärung dieser Traumsymbolik erübrigt sich ebenfalls. 

Kürzlich war ich aber selbst davon überrascht, wie mein Unterbewusstsein ohne mein Wissen einen dicken Strich unter einen Lebensabschnitt gemacht hat. Ich habe geträumt, dass mein Elternhaus bis auf die Grundmauern abbrennt, während ich vom Gartenzaun aus dabei zuschaue. In der Realität war ich am Tag zuvor ein letztes Mal durch die prachtvollen, aber leeren Zimmer der ehemaligen, elterlichen Wohnung gewandelt. Durch Räume voller Erinnerungen, mit den hohen Decken und dem verzierten Ofen, den Doppeltüren und dem Stuck. Räume in denen ich mein ganzes Kinder- und Jugendleben verbracht hatte und die nun aufgrund ausgezogener Kinder zu viele Quadratmeter für die Eltern hatten. Beim Verlassen der Wohnung überlegte ich, ob ich mich bereits damit abgefunden hatte, dass diese Wohnung nun der Vergangenheit angehörte und ob mein Unterbewusstsein den Umzug der Eltern akzeptierten konnte. Der Traum gab mir unvermittelt die Antwort.


Dennoch ist und bleibt diese Wohnung, beziehungsweise das Haus mit Hof, sowie die unmittelbare Gegend drumherum, der häufigste Schauplatz meiner Träume - alles jedoch im Zustand von 1995, einer wohl sehr prägenden Phase meines Lebens. Auch das Cast, mit dem ich meine Traumabenteuer erlebe, bedient sich an Personen aller Epochen meines Lebens. Meistens ist es ein großes Kuddelmuddel aus ehemaligen Mitschülern, Kollegen und Familienmitgliedern angereichert mit Personen des öffentlichen Lebens. Hier und da taucht auch gern mal ein sprechendes Tier auf. Letzteres begegnet mir in der Tat immer häufiger, wobei sich der sprechende und aufrecht laufende Hund, um den ich mich kümmern muss, oft unbemerkt in ein ebenso begabtes Baby verwandelt oder umgekehrt. Ich wage mich mal an die Interpretation dieses Traumes und lese darin die Angst vor Verantwortung für derartigen Schutzbefohlenen beziehungsweise den Wunsch, diese wären wenigstens ein Stück weit selbstständiger und könnten ihre Bedürfnisse problemlos mitteilen. 
Mh. Jetzt weiß ich auch, wo sich mein zukünftiger Kinderwunsch wohl am verlässlichsten bemerkbar machen wird. 
Erst wenige Male ist es mir gelungen, mich an derartigen Abstrusitäten zu stören. Die folgliche Sabotage des Traumes war zugleich ein Schlüssel. Ein Schlüssel zu der Tür, die aus der normalen Traumwelt, wo ich von seltsam eingerichteten Wohnwagen, Stelzentaxis und Mini-Brownie-Müslis träume (Exzerpte meines Traumtagebuches), hinaus in die Welt des Klartraumes führt. Gewissermaßen ein Traum-AddOn, oder besser noch ein Cheat, mit dem alles Denkbare möglich ist. 


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